Jan 102013
 

In meinem ganzen Leben war ich noch nie so unentschlossen wie diesmal bei der am 20. Jänner anstehenden Volksbefragung “Berufsheer oder Wehrpflicht”. Auch wenn ich mittlerweile eine Entscheidung getroffen habe, so schwankte ich bis vor Kurzem noch zwischen “sicher für Berufsheer”, “nicht hingehen”, “weiß/ungültig” wählen oder gar (eher weniger) “pro Berufsheer”.

Sieht man sich an, wie in der Diskussion derzeit die Grenzen verlaufen, dann bin ich mir sicher: ich stehe mit diesem Problem nicht alleine da. Während rechts der Mitte die Reihen pro Wehrdienst mittlerweile relativ geschlossen scheinen, sieht es links der Mitte doch ein wenig anders aus: während die SPÖ- Spitze unermüdlich versucht, die von ihr ausgegebene Linie pro Berufsheer durchzudrücken, schießen etwa Vorfeldorganisationen wie die Sozialistische Jugend oder auch einige Landesorganisationen quer.

Viele Linke etwa teilen heute die traditionelle (ehemalige) Position der SPÖ – pro Wehrpflicht, weil sie eine Unterwanderung eines Berufsheer durch antidemokratische, rechtsextreme Kräfte fürchten. Zu dieser Argumentationslinie hörte ich unlängst ein gutes Gegenargument: wäre man wirklich für die bestmögliche Durchmischung in einem Heer mit allgemeiner Wehrpflicht, so müsste man eigentlich den Zivildienst abschaffen – denn schon bisher gingen viele humanistisch eingestelltere junge Männer lieber in soziale Einrichtungen, statt den Dienst an der Waffe abzuleisten. An Abschaffung des Zivildienstes bei gleichzeitiger Wehrpflicht denken aber wohl auch diese Zweifler nicht.

Bezeichnend für die meisten (anderen) Wehrpflichtbefürworter ist, welche Argumente da immer wieder zu hören sind: Katastrophenschutz und Zivildienst.Denn: jedem denkenden Menschen muss klar sein, was die primäre Aufgabe jeder Armee sein muss: die militärische Verteidigung eines Landes, und im Ernstfall damit die Tötung von Menschen.

Erfüllt als auch das österreichische Bundesheer auch nur ansatzweise seinen Zweck, so muss es jungen Männern und Frauen Befehlsgehorsam, dem Umgang mit Waffen und das Töten von Menschen beibringen.

Alle anderen Funktionen, die das Bundesheer sonst noch ausfüllt, sind unter “außerdem…” einzureihen, gerade im Katastrophenfall leisten Organisationen wie freiwillige Feuerwehren oder das Rote Kreuz wesentlich mehr. Und selbst wenn noch zusätzliche Katastrophenhelfer gebraucht werden: wer sagt, dass diese unbedingt aus dem Bundesheer rekrutiert werden müssen?

Zynisch mutet an, dass die Wehrpflicht mit dem Zivildienst verteidigt wird:  die ÖVP und andere wollen sich die schlecht bezahlten Sozialdienstleister nicht wegnehmen lassen, dabei wäre es allgemein höchst an der Zeit, dass auch hauptberuflich im Sozialbereich tätige endlich besser entlohnt werden, weil sie einige der, wenn nicht DIE wichtigste Arbeit in unserer Gesellschaft leisten. Dabei müssen sie heute noch in Konkurrenz mit (verständlicherweise) nicht immer sehr motivierten Zivildienern treten.

Die Position etwa der KPÖ und vieler Grünen: die ersatzlose Abschaffung des Heeres halte ich für eine grundsätzlich schöne Vorstellung, aber für eine wenig realistische: unter anderem hat sich Österreich ja im Staatsvertrag zur Landesverteidigung verpflichtet – es hinge also nicht allein von Österreich ab, wollte man es tatsächlich abschaffen.

Bei all diesem Überlegungen darf man aber eines nicht vergessen: dass die gesamte Volksbefragung nicht mehr ist, als ein Wahlkampfschlager, einer den Michael Häupl wohl mittlerweile bereuen dürfte – nicht nur, weil er ihm bei den letzten Wiener Wahlen wenig genutzt hat: die SPÖ hat Ihre Absolute zum Glück dennoch nicht halten können.  Hätte man es ernst gemeint, so hätte am Anfang der Diskussion die Frage stehen müssen: “Was soll das Österreichische Bundesheer in Zukunft leisten? Welche Aufgaben erfüllen?”- danach wären die bestmöglichen Modelle zu diskutieren gewesen. die Frage “Wehrpflicht oder Berufsheer?” dagegen ist eine rein populistische.

Was den beiden Regierungsparteien erfolgreich mit der Diskussion gelungen ist: über meiner Meinung nach wichtigere Themen wie das Bildungssystem, Korruption, Neoliberalismus  oder Klimawandel wird nicht mehr diskutiert, und SPÖ und ÖVP werden uns noch lange vorhalten, wie demokratisch sie nicht wären, weil sie uns übers Heer befragt hätten. Ich bin jedenfalls gespannt, ob es demnächst auch Volksbefragungen über höhere Vermögenssteuern oder soziale Gerechtigkeit geben wird, an die sich die Koalitionäre dann halten werden…

Bei der Volksbefragung am 20.1. werde ich übrigens für ein Berufsheer stimmen, aber nicht ohne einen gesalzenen Kommentar an die Regierungsparteien am Stimmzettel…

[Update 15.1.2013]
Nachdem ich das Argument “Soldaten im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht würden nicht auf eigene Bevölkerung schießen” immer mal wieder höre: ich halte diese Annahme für Blödsinn, beziehungsweise idealistisch. Denn: zur Ausbildung gehört es, zu lernen, dass man Befehlen zu gehorchen hat. Ist die Ausbildung also halbwegs erfolgreich, und kommt im Fall des Falles der Befehl von oben, auf “die Bevölkerung” zu schießen, dann werden sie es tun, weil sie es so gelernt haben. Um moralische Bedenken auszuräumen, könnte man dann die Menschen dann ja “Terroristen” nennen…

 

  4 Responses to “Heeresbefragung – mehr Qual als Wahl”

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