Viele Griechen haben bei den vergangen Wahlen die linke “Syriza” gewählt, in der Hoffnung, dass diese Partei etwas gegen die – vor allem in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht – katastrophalen Zustände im Land unternehmen könnte. Gehofft hat aber nicht nur die griechische Bevölkerung, sondern auch viele Menschen in Europa, dass es dem linken Bündnis gelingen würde, ein Umdenken in der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Kontinents anzustossen und endlich vom dogmatischen Sparwahn und der in Europa selbst nach der Krise von 2008 nach wie vor herrschenden Ideologie des Neoliberalismus abzurücken.
Was sich in den vergangen Wochen Tagen und Wochen in Sachen Griechenland abgespielt hat, bestärkt aber die Hoffnung auf ein “anderes Europa” nicht gerade. Während Premierminister Tsipras’ Entschluss, ein Referendum über das Spardiktat der Euro- Länder abzuhalten, ein mutiger war, und das Ergebnis wunderbar eindeutig ausfiel, ist die 180 Grad – Kehrtwende des Syriza- Vorsitzenden, die er binnen kurzer Zeit bis zum 13. Juli vollzogen hat, in keiner Weise mehr zu begreifen. Erst die Zukunft zeigen, was am Wochenende vor diesem 13. Juli zu diesem Schwenk geführt hat. Denn die “Einigung”, die jetzt zustande kam beinhaltet genau wieder jene Maßnahmen, gegen die sich das Griechische Volk am 6. Juli mit über 61 Prozent ausgesprochen hat. Ein Premier, der gegen einen so explizit formulierten Wunsch handelt, ist aus meiner Sicht rücktrittsreif.
Der Schaden, die die Handlungsweise Tsipras’ angerichtet hat, lässt sich derzeit noch schwer abschätzen. Zunächst wären da natürlich die Auswirkungen auf Bevölkerung und Wirtschaft zu betrachten. Noch sind Details über das Abkommen zwar rar – dem Vernehmen nach sind die geforderten Maßnahmen aber teilweise sogar härter denn je zuvor. Bereits bekannt ist die geplante Privatsierung von Staatsvermögen , die unter den gegeben Umständen wohl nur Schleuderpreise am Markt lukrieren wird, sowie die Erhöhung der Mehrwehrtssteuer. beides verheißt jedenfalls nichts Gutes.
Auch all jene, die auf ein langsames Umdenken in der europäischen Wirtschafts- und Sozialpoltik, weg von Austerität und Sozialabbau hin zu Maßnahmen zu sinn- und maßvollem Sparen, mehr sozialer Gerechtigkeit und Ankurbelung der Wirtschaft gehofft hatten, sind wohl jetzt desillusioniert. Gerade die europäische Linke, die bisher “ein anderes Europa ist möglich” (ich glaube trotzdem noch daran) zu Ihrem Motto erkoren hat, könnte sich nun diskreditiert haben. Diesbezüglich darf man gespannt auf den Ausgang der Wahlen im kommenden Herbst in Spanien und dem Abschneiden von Podemos sein.
Zur Rolle deutscher Politiker (und Medien) in der “Griechenlandkrise” möchte ich gar nicht zu viel Platz verschwenden, denn die Gefahr, dabei ausfällig zu werden, ist zu hoch. Das Wort “verachtenswert” trifft es wohl am Ehesten. Wäre man mit “den Deutschen” nach dem Zweiten Weltkrieg so verfahren, wie sie es jetzt mit Griechenland gemacht hatten, würden die Geschichtsbücher heute mit Sicherheit bereits von einem Dritten berichten.
Die Süddeutsche schreibt über Deutschland zur Krise:
“Jeden Cent an Griechenland-Hilfe, den sie den Bundesbürgern zu ersparen suchte, wird sie in den kommenden Jahren doppelt und dreifach ausgeben müssen, um dieses Bild wieder aufzupolieren.”
Dieser Aussage ist bedingungslos zuzustimmen. Merkel, Schäuble & Co haben das Vertrauen in Europa durch ihre Wortwahl und ihr Handeln nachhaltig beschädigt.
Es steht zu befürchten, dass das Zusammenwirken einer erfolglosen Linken und der hirnlos agierenden “etablierten Parteien” (Konservative, Sozialdemokraten, Liberale) dazu führen wird, dass sich der Aufstieg der Rechtextremen in ganz Europa beschleunigen wird. Um unser aller Willen hoffe jedenfalls nicht, dass wir in Zukunft eines Tages auf diesen 13. Juli 2015 als dem Anfang vom Ende zurückblicken müssen.