Stefan Mackovik

Aug. 132012
 

Fahrradfahren war und ist derzeit Thema in den Medien.  Doch leider steht nicht etwa der Nutzen für Umwelt und Gesundheit im Vordergrund, oder wie das ambitionierten Ziele zur Steigerung des Radanteils am Verkehr erreicht werden können, sondern – wieder einmal – die angeblich so schlimmen „Radrowdys“.

Entflammt ist dabei wieder einmal die Diskussion um „Fahrradkenzeichen“, also der Forderung mancher Politiker nach einer Kennzeichnungspflicht für Drahtesel nach dem Vorbild bei Kraftfahrzeugen. Den Anfang machte dabei eine schlecht gemachter und schlecht recherchierter Beitrag der TV-Sendung „Konkret“ zu einer entsprechenden Forderung der SP- Bezirksvorsteherin des 9. Wiener Gemeindebezirks  Martina Maylar, der offenkundig die regelmäßige Benutzung eines Drathesels auch nicht schaden würde. Sie berichtete von Beschwerden von FußgängerInnen, die sich von „GehsteigradlerInnen“ bedroht fühlen würden und leitete daraus ihre Forderung ab.

Bürgermeister Häupl fand im Interview  dann auch die Idee gleich, wohl froh über die Ablenkung nach dem Parkpickerl- Kommunikationsdebakel seiner Partei; auch gleich „interessant“. Die FPÖ war sowieso schon immer für die unsinnigen Nummerntafeln. Die ÖVP Wien kann den Nummerntafeln zwar nichts abgewinnen, verlangt aber, um in die gleiche Kerbe zu schlagen, eine Angleichung der Strafen für Fahrradfahrer an die für KFZ- LenkerInnen, und übersieht dabei, oder wohl besser: will die Tatsache ignorieren, dass Auto- LenkerInnen in einer potentiellen Mordwaffe sitzen, wenn sie beispielsweise alkoholisiert Auto fahren, RadlerInnen aber hauptsächlich sich selbst gefährden.

Ehrlich über das Thema „Verkehr“ wird der weilen natürlich nicht diskutiert, lieber zeigt man mit den Fingern auf die anderen, vermeintlich Bösen. Dabei gäbe es genug zu reden: beispielsweise darüber, dass in Österreich ein Gesamtverkehrsplan fehlt.  Oder über die Gründe, warum jemand Verkehrsregeln ignoriert oder übertritt: sicherlich: die Fälle wo Ignoranz, Rowdytum oder Egoismus eine Rolle spielen, sind nicht abzustreiten. Genauso ist aber auch eine jahrelang verfehlte Verkehrspolitik Ursache vieler Übel: grau- melierte Herren, die nie auf einem Fahrrad gesessen sind haben Radwege, Mehrzweckstreifen und Ampelschaltungen „erfunden“, die praxisuntauglich sind  oder den umweltfreundlichen Verkehr grob benachteiligen.

Das die Debatte mehr als nur scheinheilig ist, sieht man auch daran, dass Schlagzeilen „1.000 Rotlichtsünder in Linz erwischt“ (gemeint sind hier übrigens KFZ!) schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden. Während sich in Krone, ORF & Co trefflich die BürgerInnen über die schlimmen Radrowdys aufregen, kann ich als Alltagsradler all die Autorowdys, die täglich auf Österreichs Straßen drängeln, hupen oder den Mindestabstand beim Überholen nicht einhalten, auf Radwegen halten oder parken, schon gar nicht mehr zählen.

Das tun die übrigens TROTZ Nummerntafeln, wie sie das schon immer gemacht haben – soviel zur „Abschreckungswirkung“ von Taferln.

Die Lösung für ein besseres Miteinander kann daher nicht „Nummerntafeln für alle“ lauten sondern: den öffentlichen Raum besser und gerechter verteilen, sodass die beiden schwächsten Verkehrsteilnehmer – RadfahrerInnen und FußgängerInnen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, eine Bewusstseinskampagne für das Verhalten im Verkehr (Stichwort „Vertrauensgrundsatz“) und – auch dazu steh ich in weiterer Folge – rigorose Kontrolle ALLER VerkehrsteilnehmerInnen

[Siehe auch Artikel der Radlobby- Österreich]

Dieser Eintrag ist auch als Leserkommentar auf derStandard erschienen.

Juni 132012
 

Angesichts des Abwehrkampfes der Autofahrerparteien ÖVP und FPÖ gegen sinnvolle verkehrspolitische Maßnahmen wie die Ausweitung der Parkpickerlzonen darf man sich einerseits die Frage stellen wie weit sich die ÖVP unter Manfred „Strache für Arme“ Juraczka noch nach rechts rutschen wird. Aus meiner Sicht wird diese Strategie, zur österreichischen „Tea Party“ werden zu wollen aber nicht aufgehen. Andererseits muss man einmal mehr betonen, dass die vergangen 30 – 40 Jahre unter „Verkehrspolitik“ fast immer „KFZ- Verkehrspolitik“ verstanden wurde.

Daher ist die Forderung der ÖVP nach „augewogener Verkehrspolitik“, die die Regierungsparteien in Wien angeblich nicht machen würden irreführend: nachdem das Pendel in der Vergangenheit zugunsten der Autos ausschlug, muss es nun, um wirklich eines (fernen) Tages „fair“ zu sein zugunsten von Fußgängern und Radfahrer ausschlagen.

Eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass auch RadfahrerInnen eine potentielle, und außerdem stetig wachsende Gruppe potentielle WählerInnen ist, ist einmal im Monat die Critical Mass : Eine Gruppe unorganisierter Menschen trifft sich (unter anderem) in Wien  jeden dritten Freitag um 16 Uhr 30 im Monat am Schwarzenbergplatz  um gemeinsam friedlich, bunt mit Musik und ohne vorgegebene Route durch die Stadt zu radeln. In den letzten Monaten waren immer wieder weit über 1500 RadlerInnen mit dabei!

Wie jeden Juni steht auch am kommenden Freitag, den 15.6. die CM unter dem Titel „Naked Bike Ride„: wer mag fährt (fast) nackt, bemalt, besonders gekleidet und hat Spass – und laut Prognose dies sogar bei bestem Wetter!

Also: kommt alle mit, habt Spass und zeigt nebenbei: wir sind viele und wir werden immer mehr!

Freitag, den 15. Juni ab 16:30 Uhr
vom  Schwarzenbergplatz (Hochstrahlbrunnen)

Juni 042012
 

Hat sich die Öffentlichkeit vor einigen Wochen noch mit neuen politischen Parteien wie den „Piraten“ beschäftigt, so wird neuerdings das Thema „Direkte Demokratie“ verstärkt diskutiert. Aktuell hat sich besonders die ÖVP dieses Thema auf die Fahnen geschrieben, vermutlich in der Hoffnung,  damit aus dem bereits lange anhaltenden Umfragetief zu kommen.  Die Junge Volkspartei hat dazu unter dem Vorsitz von Sebastian Kurz ein Paket namens Demokratie.Neu erarbeitet. Auch wenn ich mit der JVP, wie mit ihrer Mutterpartei, wenig bis gar nichts anfangen kann, so muss ich anerkennen, dass darin einige gute Ansätze zu finden sind. Die „parlamentarische Bürgeranfrage“ wäre ein wichtiger Schritt um Politik(er)verdrossenheit zu begegnen, und ein eigenständiges Schulfach für „politische Bildung und Staatskunde“ das aus jeder Menge „Stimmvieh“ endlich mehr politisch mündige Bürger produzieren helfen könnte, hab ich mir schon vor 20 Jahren gewünscht.

Weniger begeistert mich da schon die Idee der Steuergeldzweckwidmung – klar, dass da ein großer Teil der Bevölkerung nur an sich selber denken würde – aber wäre es nicht Aufgabe kluger PolitikerInnen, Geld klug und gerecht zu investieren (auch wenn das natürlich derzeit oft nicht der Fall ist) ?

Unter der Überschrift „Direkte Demokratie“ verbirgt sich dann im Konzept der viel diskutierte „Volksbefragungsautomatismus“: nach Vorstellung der JVP, und etwas ähnliches fordert die FPÖ sicher schon länger, soll, wenn ein Volksbegehren von mehr als 10% der Wahlberechtigten unterstützt wird, eine  verpflichtende Volksabstimmung stattfinden, die, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten daran teilgenommen hat und die Mehrheit für das Anliegen stimmt, als verbindlich anzusehen ist.

ÖVP-Chef Spindelegger zeigt nun plötzlich für ihn ungewohnten Eifer und will über das schwarze Demokratiepaket noch vor der nächsten Wahl abstimmen lassen. Dabei ist die geplante Maßnahme nicht unbedingt für einen Schuss aus der Hüfte geeignet. Denn über den geplanten Automatismus sollte man vorher diskutieren, und ihn dann gegebenenfalls in Verfassungsreformpaket, wie es der leider gescheiterte Österreich- Konvent einbetten.

Ich halte den „Abstimmungsautomatismus“, so wie jetzt vorgesehen, jedenfalls für problematisch. So sieht das Konzept vor, dass jede Materie vor einer Volksabstimmung dahin geprüft werden sollte, ob sie verfassungskonform sei. Das beugt einerseits populistischen Volksbegehren Marke FPÖ a la „Österreich Zuerst“ vor, und das ist gut so. Aber was ist etwa mit Abstimmungen, die völkerrechtlichen Verpflichtungen widersprechen würden, aber nicht eindeutig „gegen die Verfassung“ gerichtet sind? Ein Beispiel liefert Spindelegger gleich mit: er will die „Schuldenbremse“ noch schnell zuvor in der Verfassung verankern, damit das Volk später nicht mehr dagegen stimmen darf.

Überhaupt sehe ich Volksabstimmungen mit ein wenig Skepsis. In meiner Idealvorstellung sollte eine Partei eine Vision davon haben, wie das Land und seine Gesellschaft idealerweise aussehen sollte, und sie sollte einen Plan haben, wie man dieses Ziel erreichen könnte. Dabei kann es durchaus passieren, dass man Maßnahmen treffen muss, die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, weil sie unbeliebt oder schmerzhaft sind, aber mittel-, oder langfristig doch gut für den Großteil eben jener Bevölkerung sind.

Als Beispiel möchte ich die Citymaut in London heranziehen: diese wurde anfangs von der dortigen Bevölkerung abgelehnt, hat aber ihren Zweck erfüllt: die Verkehrsbelastung ist gesunken, und im Jahr 2003 haben die Londoner sogar einer Erhöhung zugestimmt. Derzeit laufen in Wien gerade FPÖ und ÖVP gerade Sturm gegen die von der rot-grünen Stadtregierung geplante Erweiterung der Parkpickerl – Zonen – und versuchen dagegen ein Volksbegehren zu initiieren. Was für autofahrende BewohnerInnen der betreffenden Bezirke zunächst schmerzhaft erscheint, könnte sich in einiger Zeit als richtige Maßnahme erweisen.

Volksbegehren können nur schwer einen solch „größeren Zusammenhang“ berücksichtigen, und können nur Momentaufnahmen berücksichtigen.

Nun ist auch mir bewusst, dass derzeit keine Partei an der Macht ist, der man zutrauen würde, eine „Vision“ für Österreich oder Europa zu haben oder zumindest in der Lage ist, diesen durchzusetzen. PolitikerInnen denken leider fast ausnahmslos nur mehr bis zur nächsten Wahl, da scheint der Abstimmungsautomatismus ein Ausweg aus der Krise zu sein. Doch ist er nicht vielleicht nicht doch nur eine Notlösung, weil wir die Hoffnung langsam aufgeben, dass weitsichtigere und verantwortungsvollere PolitikerInnen am Horizont erscheinen?

Wäre es nicht sinnvoller, einerseits die Hürden für neue Parteien zu senken, bestehende Parteien zu öffnen und etwa soziale Bewegungen, NGOs und Initiativen aktiver in die Politik einzubinden und diese ernster zu nehmen als bisher?

Über automatische Volksabstimmungen soll und muss diskutiert werden, aber in keinem Fall als alleinige oder wichtigste Maßnahme, sondern im Zusammenhang mit einer umfassenderen Reform des politischen Systems in Österreich.

Apr. 162012
 

Sicher, als Agnostiker und gleichzeitig Kritiker aller, insbesondere aber der christlich-katholischen Kirche, fällt es mir sicher nicht schwer, diese Zeile zu schreiben.

Aber gerade deshalb könnte meine Außensicht ja den einen oder anderen Gläubigen, der sich noch immer in den Fängen der Amtskirche befindet, zum Nachdenken anregen.
Mir sind nämlich die Vorgänge, die sich in dieser Kirche – gemeint sind die offiziellen Repräsentanten genauso wie das sogenannte Kirchenvolk – abspielen immer unbegreiflicher.

Auf der einen Seite steht da die sogenannte „Amtskirche“. Dort ist Doppelmoral seit vielen Jahrhunderten evident: während auf der einen Seite Nächstenliebe gepredigt, Sex von der Ehe missbilligt, der Zölibat hochgehalten und das Kondom verteufelt wird, wird sie seit dem  Fall Groër immer wieder durch Fälle von sexuellem oder anderen Arten von Missbrauch erschüttert. Im Jahr 2010 befürchete die römisch-katholische Kirche bis zu 80.000 Austritte aufgrund der in diesem Jahr bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in Heimen der Kirche in den letzten Jahrzehnten.

Aktuell sorgt der Fall in Stützenhofen für Unruhe unter dem Kirchenvolk: der dortige Pfarrer wollte einen mit großer Mehrheit gewählten, bekennenden schwulen Kirchengemeinderat nicht anerkennen. Nun will er die Gemeinde abgeben, weil die Diözese Wien die Wahl anerkannt hat – und gleichzeitig meldet sich eine Frau, die angibt, mit eben diesem Pfarrer, der von Moral spricht, eine Beziehung gehabt zu haben – was eindeutig gegen das Zölibat verstößt.

Auf der anderen stehen Menschen und Bewegungen wie die  „Plattform  Wir sind Kirche“ oder die „Pfarrer Initative“, die seit Jahren krampfhaft versuchen, die Kirche von innen heraus zu ändern. Helmut Schüller, Initiator der Initiative der Pfarrer, wurde vom Falter sogar zum „Mensch des Jahres 2011“ gekürt. Auch wenn all diese Iniativen Dinge fordern, die wohl jeder aufgeschlossene, in der heutigen Welt lebende Gläubige unterstützen muss (mehr Mitsprache für Gemeindemitglieder, weibliche Priester etc) so ist es dennoch ein Kampf gegen Windmühlen

Die katholische Kirche ist eine der letzten absolut regierten Monarchien der Welt, beherrscht von einem Zirkel alter Männer im Vatikan. Da dieser seine Macht erhalten will, wird dieser Zirkel nie zu weitreichenden Reformen bereit sein.

Die logische Konsequenz all dieser Reformwilligen müsste eigentlich die Abspaltung von der katholischen und die Gründung einer eigenen Kirche sein. Warum ist das noch nicht passiert? Mit Glauben kann es nichts zu tun haben, denn Glaube und Kirche, dass sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Jesus, so er jemals existiert haben sollte, mit dieser Kirche, die einzig zum Zweck der Machtausübung auf Menschen durch andere Menschen gedient hat und noch immer dient, mit dieser Kirche nicht anzufangen gewusst hätte.

Zu  Abschluss sei noch darauf hingewiesen, dass man das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien am Bezirksamt noch unterstützen kann. Hat sich eigentlich jemand überlegt, wie es sein kann, dass der Staat nach wie vor eine Institution mitfinanziert, die Frauen und Minderheiten wie Schwule und Lesben diskriminiert – und dagegen gibt es mittlerweile eigentlich sogar ein Bundesgesetz!

Apr. 102012
 

Alternative politische Parteien und Bewegungen wie die Piratenpartei, die österreichische „Onlinepartei“  oder die Initiative „Österreich spricht“ sind aktuell – spätestens mit der Überraschungserfolg der „Piraten“im Saarland –  im Fokus der medialen Berichterstattung und der öffentlichen Diskussion.

Die Frage ist: sind oder bieten diese Parteien wirklich die Antworten auf die Probleme, mit denen unser demokratisches System zu kämpfen hat? Festhalten ist zunächst, dass grundsätzlich jedes politisches Engagement in diesem Land und in ganz Europa zu begrüßen ist. Viel zu viele in der Bevölkerung haben entweder die Hoffnung aufgegeben, dass sich etwas zum Positiven ändern könnte, und viel zu wenige werden selbst aktiv, um zumindest Veränderung zu versuchen.

Bemerkenswert an den aktuellen Entwicklungen für mich weiter: während bis vor Kurzem politische Arbeit innerhalb von Parteien als völlig uninteressant und gestrig galt und man/frau sich innerhalb  von zivil-gesellschaftlichen Gruppierungen wie ATTAC, Greenpeace oder SOS Mitmensch organisierte, haben zumindest einige das etwas angestaubte Vehikel „Partei“ für sich entdeckt. Vielleicht auch, weil ATTAC & Co höchstens indirekt auf Politik und Gesetzgebung einwirken können (und aus meiner Sicht bisher damit viel zu wenig Erfolg hatten), die Umsetzung von Politik aber nach wie vor im Parlament passiert?

Die  österreichische Piratenpartei, die formell schon seit 2006 existiert, wird erst jetzt von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Das empfinde ich persönlich nicht als verwunderlich, war sie doch bis vor Kurzem eine reine „Single issue“ – Partei zum Thema „Bürgerrechte im Internet“. Mir als „Heavy User“ des Internets sind Themen wie Informationsfreiheit oder  Privatsphäre im Internet zwar wichtig – allerdings nicht wichtig genug, deshalb eine Partei zu wählen, die sich fast ausschließlich auf diese spezialisiert hat. Für eben so essentiell halte ich beispielsweise soziale Gerechtigkeit, eine Reform des Bildungssystems oder oder auch Umwelt- und Klimaschutz. Zwar haben die „Piraten“ mittlerweile begonnen, sich mit manchen dieser Themen zu beschäftigen. Die Kompetenz, glaubhaft für diese Dinge einzutreten spreche ich ihnen aber derzeit noch ab.

Die Existenz der „Piraten“wird im Netz macherorts geradezu frenetisch bejubelt, und auch wenn ich damals noch zu jung war, so kann ich mir gut ausmalen, dass auch ähnlicher Enthusiasmus bei der Gründung der „Grünen“ vor knapp 25 Jahren geherrscht haben könnte. Wohl nicht wenige derjenigen, die sich heute bei den „Piraten“ engagieren tun dies, so stelle ich mir das zumindest vor, weil sie die „Grünen“ nur mehr als „stinknormale Partei“ wahrnehmen, die sich von den anderen „Altparteien“ nur marginal unterscheidet. Tatsächlich wirken sie auch auf mich als bekennenden Wähler viel zu oft verkrampft. Um es etwas polemisch zu sagen:  auf dem Altar der Political Correctness  wird viel zu häufig der Spaß und die Lebenslustigkeit geopfert.

Diese Spießigkeit fehlt den“Piraten“ wohl noch. Sie wirken dagegen unkonventionell, frisch und „chaotisch“. Da sie zwangsläufig noch nicht im politischen System (innerhalb des Parlaments) verankert sind, werden sie als Antwort auf verknöcherte „BerufspolitikerInnen“ gesehen, die mittlerweile ja häufig pauschal entweder für korrupt oder unfähig  gehalten werden.

Klar ist aber auch, dass mittelfristig auch die Piratenpartei professioneller werden muss, will sie politisch überleben, und noch wichtiger: politisch etwas bewegen – und damit würde sie auch zwangsläufig etwas weniger „sexy“ werden.

Auch wenn ich derzeit skeptisch bin, ob es die „Piraten“ als neue politische Kraft langfristig in der Parteienlandschaft braucht, so liefern sie dennoch wichtige Ideen und Impulse für Demokratie in Europa und Österreich und in den bestehenden etablierten Parteien. So werden Konzepte wie Liquid Feedback und andere Formen der Partizipation durch sie entweder erprobt oder gar entwickelt. Bleibt zu hoffen, dass auch andere Parteien sich diesen neuen Konzepten öffnen, oder durch den Erfolg neuer konstruktiver politischer Kräfte genötigt sehen, Veränderungen in ihren Strukturen stärker zuzulassen.

Sollten die „Piraten“ wider meinen Erwartungen doch zu einer ernsthaften, thematisch breiter aufgestellten, Partei werden so würde ich mir nur eines wünschen: einen konstruktiveren Namen.