Stefan Mackovik

Mai 152011
 

Als ich verganegene Woche einen Link zur Aktion „Wien radelt zur Arbeit“ auf Facebook postete, ernte ich gleich einen kleinen Sturm der Entrüstung über „die rücksichtslose Radfahrer“.
Da wurde über bei roter Ampel fahrende und Fußgänger niedermähende Radler geschimpft, einer meinte er, er würde sich vor „narrischen Autofahrern“ weniger bedroht fühlen als durch rücksichtslose Radler.
Als begeisterter Alltagsradler muss ich gestehen, dass diese Klagen leider oft berechtigt sind, wenn auch selbstverständlich nicht allgemein gültig.
Allerdings greift die Kritik an den vielen, bösen RadfahrerInnen, die andere und oft auch sich selbst gefährden, viel zu kurz.

Denn vielmehr fällt mir auf, dass sehr viele VerkehrsteilnehmerInnen immer rücksichtsloser agieren, und zwar egal, auf welche Art sie sich fortbewegen:

  • Fußgänger, die gedankenlos auf Radwegen herum tappen oder bei rot über die Straße gehen, weil „eh nix kommt“
  • Radfahrer, die leider oftmals auch bei rot fahren oder an ungünstigen Stellen übeholen oder schneiden
  • Autofahrer, die auch immer öfter bei Gelb oder rot fahren, Radfahrer anhupen, weil sies so furchtbar eilig haben, oder gar solche, die in Kreuzungen einfahren, obwohl auf der gegenüberligenden Seite nicht genug Platz ist und damit dann Übergänge bzw. Wege der Radfahrer und Fußgänger blockieren oder an den unmöglichsten (und verbotenen) Stellen parken.

Als Verkehrsteilnehmer, egal ob zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs, der versucht, den anderen gegenüber immer rücksichtsvoll zu agieren, fühle ich mich zuweilen jedenfalls eher einsam aufs Wien Straßen. Auffällig ist, dass Kritik am Verkehrsgeschehen oft recht einseitig ist. Man merkt vielen Leuten beispielsweise an, dass sie selten bis nie mit dem Rad in Wien unterwegs sind, aber auch nicht gewillt oder fähig, etwas aus dem Blickwinkel des anderen zu betrachten oder gar zu versuchen, dass Große und Ganze zu überblicken.

Hier zeigt sich, dass der Straßenverkehr in Wahrheit sehr gut widerspiegelt, wie heute weite Teile der Gesellschaft aufgebaut sind: jeder ist sich nur mehr selbst der nächste, alle sind grundsätzlich einmal nur auf ihren eigenen – vermeintlich vermuteten – Vorteil aus. Statt der in der StVO festgehaltenen „Partnerschaft im Verkehr“ wird die Wettbewerbsgesellschaft und das übersteigerte Konkurrenzdenken, dass uns jahrelang eingebläut  wurde, auch auf den Straße übertragen. Verkehrsregeln sind da sowieso nur mehr unnötige Hindernisse oder gar subtile Repressionsversuche des Staates. Dabei wäre in Wahrheit allen gedient, wenn jeder von uns einfach ein bisschen rücksichtsvoller agieren würde, weil damit das Treiben auf der Straße ein bisschen weniger stressig und damit auch flüssiger wäre.

Im Übrigen sollte das natürlich nicht auf der Straßenverkehr beschränkt bleiben, ein bisschen mehr Miteinander und ein bisschen weniger Geschwindigkeit würde uns auch in anderen Bereichen sehr gut tun.

Mai 102011
 

Es war in den letzten Tagen kaum zu überlesen: zumindest einige in der EU wollen die Reisefreiheit innerhalb der Union wieder abschaffen – siehe z.B. hier

Anlassfall sind ein paar Tausend Flüchtlinge, die von Nordafrika nach Italien gekommen sind, und denen dort, angeblich wegen Überforderung der Behörden, Einreisebewilligungen für die EU ausgestellt wurden.

Jetzt wird innerhalb der EU über die Wiedereinführung der Grenzkontrollen debattiert.

Das halte ich für fatal, ist doch die Reisefreiheit eine der wenigen Errungenschaften der Gemeinschaft, die der Großteil der Bürger positiv zu spüren bekommt: von Wien nach Madrid, von Rom nach Warschau ohne einen Pass her zeigen zu müssen.

Und es ist eine Bankrotterklärung der Politik, die bei neoliberalen Projekten schnell zur Stelle ist, während sie in Sozial, und menschenrechtlichen Fragen offenbar heillos überfordert bzw. inkompetent ist.

Bei der Rettung von Banken und Großkonzernen, die meist auf Kosten sozialer Errungenschaften und auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen werden, werden schnell Einigungen erzielt.

Geht es aber um die Frage, 30.0000 Flüchtlinge in einem Wirtschaftsraum mit über 500 Millionen Menschen unterzubringen und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, hört die Solidarität schneller auf als man „Euro“ sagen kann.

Für mich sind die Vorgänge rund um das Schengener Abkommen und und die fortwährende Krise unserer gemeinsamen Währung der beste Beweis dafür, dass die neoliberale Strategie, die in den letzten Jahrzehnten gefahren wurde, nicht aufgegangen ist und auch nicht aufgehen kann: allein durch wirtschaftlichen Wettbewerb und „Wachstumspolitik“ wird kein echtes gemeinsames Europa zu schaffen sein.

Es braucht dringend auch eine politische und soziale Union, das heißt: gemeinsame soziale Standards für ganz Europa, eine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik, eine gemeinsame faire Flüchtlings-, und Einwanderungspolitik (fair für die Zuwanderer und fair verteilt unter den Mitgliedsstaaten) und nicht zuletzt auch eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, damit viele Menschen mittelfristig keinen Grund mehr haben, ihre Herkunftsorte in Afrika und anderswo verlassen zu müssen.

Sollte Europa nicht bald aufwachen und die Weichen entsprechend stellen, ist dieses Europa zum Scheitern verurteilt.

März 302011
 

Folgendes Mail habe ich an ÖVP- Verkehrssprecher Maier übermittel – unter anderem nach Lektüre dieses Artikels bei der IGF und dieses Presse-Artikels:


Sehr geehrter Herr Dr. Maier!

Der Presse entnehme ich heute, dass die geplante Novellierung der Straßenverkehrsordnung offenbar „wackelt“ – wenig überraschend ist es wieder einmal die österreichische Volkspartei, die sich als Verhinderer bzw. Blockierer – wie schon auf anderen politischen Feldern zuvor (Bildungsreform, gerechteres Steuersystem, Bundesheerreform) zeigt.

Auch wenn ich als begeisterter Radfahrer einiges an der geplanten Novelle zu bemängeln habe, so wäre sie dennoch ein Schritt in die richtige Richtung: nämlich in die, mehr Menschen zum Umstieg auf das umweltfreundliche und gesundheitsfördernde Verkehrsmittel Fahrrad zu bewegen: die Aufhebung der Radwegebenützungspflicht und die Einrichtung von „Fahrradstrassen“ wären jedenfalls geeignete Maßnahmen.

Bezeichnend finde ich, dass sich ÖVP wohl als „Minimallösung“ auf die absurdeste geplante Änderung in dem Entwurf einigen könnten: die Radhelmpflicht für Kinder. Das von einer Partei, die sonst immer die „Eigenverantwortung“ und gegen „zu viel Staat“ predigt, aber offenbar aber nur, wenn es um Wirtschaft geht. Den Eltern kleiner Kinder wird jedenfalls weder von ihrer Partei noch von der SPÖ zugetraut, so verantwortlich zu agieren, dass sie das beste für ihre Kinder tun. Dabei belegen Untersuchungen, dass schon heute die überwältigende Mehrheit der Kinder mit Radhelm unterwegs sind. Experten befürchten mit der Pflicht sogar ein Ansteigen der Unfälle, was ich für durchaus nachvollziehbar halte.

Wie so oft orte ich jedenfalls bei der Volkspartei wieder einmal Destruktivität und Schlechtmacherei, diesmal was die Verkehrspolitik betrifft. Von Ihnen hört man maximal die Forderungen nach „Mehr Parkplätzen“, von Vorschlägen der ÖVP zur Steigerung des Radverkehrs ist mir nichts bekannt – und das, wo jedem denkenden Menschen klar sein muss, dass in Zukunft der motorisierte (Individual–) Verkehr zurückgehen und alternative Fortbewegungsformen zunehmen muss, und zwar im Interesse der Umwelt und der Gesundheit der Menschen, und einfach, weil wir sonst irgendwann in einer reinen Verkehrshölle leben müssten.

Die ÖVP wird dagegen Ihrem Ruf als Lobby der Frächer, der Auto-, und der Ölkonzerne mehr als gerecht.

Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, und möchte Sie dazu ermuntern, Ihre Haltung nochmals zu überdenken.

Hochachtungsvoll

Ing. Stefan Mackovik

März 272011
 

Es war nach dem verheerenden Erdbeben und den bis dato andauernden massiven Problemen in japanischen AKWs zu erwarten: überall scheint plötzlich wieder die Sonne: – „Atomkraft, nein Danke“ heißt es von rechts bis links, und ganz besonders in Österreich. Alle Parteien üben sich jetzt darin, sich als als die besten „Anti- Atomparteien“ darzustellen, bei einer Sondersitzung im Nationalrat übten sich alle Parteien in der Kunst, möglichst billig auf Stimmung für sich zu machen. Barbara Tóth kritisiert, meiner Meinung nach völlig zurecht, dass sogar die Grünen bei der undifferenzierten Forderung nach „Abschaltung aller Atomkraftwerke“mitmachen, und sich damit in diesem Punkt nicht wesentlich von SPÖ und FPÖ unterscheiden. Das verwundert um so mehr, da sich die Partei in den letzten Wahlkämpfen immer wieder um das Thema „Energiewende“ angenommen und mit Sicherheit auch erfolgversprechende Konzepte in der Schublade hat.

Mich nicht falsch zu verstehen: ich bin weit davon entfernt, Atomkraftbefürworter zu sein – eine Energiegewinnungsform produktiv einzusetzen, die man im Ernstfall nur schlecht bis gar nicht kontrollieren kann, ist einfach ein Irrwitz. Aber der billige Schlachtruf „Abschalten! Jetzt!“ geht mir mittlerweile schon ziemlich auf den Nerv, weil die Folgen und Konsequenzen, die ein Abschalten zum jetzigen Zeitpunkt hätte, überhaupt nicht berücksichtigt werden. Denn das würde zumindest kurzfristig heißen, dass mehr Energie aus kalorischen Kraftwerken kommen müsste, einfach weil alternative Energien leider noch nicht so weit sind, Atomkraft kurzfristig ablösen zu können. Und was mehr Energiegewinnung Verbrennung für die Umwelt bedeutet, ist auch absehbar: mehr Luftverschmutzung – und die ginge wiederum auf Kosten aller.

Sicher, an der starken Forcierung von Forschung und Förderung alternativer Energien führt kein Weg vorbei, leider wurde da in der Vergangenheit viel verabsäumt. Aber was noch viel mehr nötig wäre, ist eine Umstellung der Lebensweise aller und gerade auch jener, die jetzt ganz besonders laut die AKW- Abschaltung fordern. Leben wir alle weiter wie bisher, wird der Energieverbrauch weiter steigen, nicht sinken. Man denke nur an neue Entwicklungen wie Elektrofahrräder, oder, viel stärker, den zunehmenden Anteil von Autos mit Elektromotor. In Zukunft müsste man daher lieb gewordene Gewohnheiten in Frage stellen: ist es sinnvoll, dass sich Menschen ihren Traum vom „Haus im Grünen“ verwirklichen, wenn sie dafür dann täglich dutzende, vielleicht hunderte, Kilometer zur Arbeit in die Stadt pendeln müssen? Braucht überhaupt jede Familie ein Auto? Sind Fernreisen mit dem Flugzeug im Hinklick auf die Energiebilanz überhaupt vertretbar?

Würde man Ernst machen mit einer stärken Nachhaltigkeit im täglichen Leben, müssten sinnvollerweise gerade Lebenskonzepte, Stadt-, und Landesplanung komplett hinterfragt und vielleicht komplett umgekrempelt werden. All das fehlt mir in der aktuellen Diskussion weitgehend. Nur mit dem Setzen einer Unterschrift und eventuell dem Wechseln zu einem alternativen Stromanbieter wird es jedenfalls nicht getan sein.

März 172011
 

Im Zuge der Aufstände und Revolutionen in der arabischen Welt beginnt man als Bewohner der so genannten „freien Welt“ – ein Begriff, der, aus der Zeit des kalten Krieges stammend, eigentlich für Demokratie und Freiheit stehen sollte, schon ein wenig ins Grübeln.

Denn offenbar glauben sogar unsere Staatsmänner und -frauen oft selbst nicht all zu sehr an diese „westlichen“ Werte. Wie sonst ist zu erklären, dass Ben Ali, Husni Mubarak oder Gaddafi bis vor Kurzem noch die besten Freunde von Sarkozy, Berlusconi & Co waren? Nicht genug, man hat nicht einmal Maßnahmen ergriffen, um die durchaus vorhandene demokratische Opposition in diesen Ländern zu unterstützen oder versucht, demokratische Tendenzen zu unterstützen. Stattdessen hat man mit den feinen Herren Geschäfte gemacht, ja teilweise von Ihnen die Drecksarbeit, Stichwort Migration aus Libyen, erledigen lassen.  Die revolutionären Bewegungen haben, so scheint’s, Europa und die USA völlig unvorbereitet getroffen – ein weiteres, starkes Zeichen der Inkompetenz weiter Teile der politischen Kaste in der „freien Welt“, die offenbar heute hauptsächlich damit beschäftigt ist, der Wirtschaft zu dienen.

Eine politische Strategie in Bezug auf den arabischen Raum ist währenddessen weiter nicht zu erkennen.- Das könnte beispielsweise für Libyen bald ernste Konsequenzen : dem verrückten Gaddafi könnte die Rückeroberung des Landes gelingen, auch weil der Westen nciht mit einer Stimme spricht und sich zu keinem Eingreifen durchringen kann.

Gadaffi fordert bereits ein Schuldbekenntnis des Westens, wenn dies komme, so der „Revolutionsführer“ könnten  „[…]die guten Beziehungen und die wirtschaftliche Kooperation Libyens […] wiederhergestellt werden“ – das wirft dann die spannende Frage auf, wie die Länder der westlichen Hemnisphäre in so einer Situation reagieren würden. Stehen sie diesmal zu ihren eigenen demokratischen Werten, oder stellen sie Wirtschaft und die Einwanderungs“problematik“ in der Vordergrund, und machen sich damit ein für alle mal lächerlich und unglaubwürdig?

Wenn man an die Demokratie glauben würde, könnte man sie viel offensiver propagieren, beispielsweise nach dem Motto „Werden ihr demokratischer, kooperieren wir auch auf wirtschaftlicher Ebene mehr mit Euch“. Stattdessen ist es bis heute umgekehrt: „Hauptsache Kohle, aber seid’s lieb und werdet ein bissl demokratischer“ .

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Staatenlenker auch bei uns nicht (mehr) so recht an „unsere“ eigenen Werte glauben, was ich durchaus verstehen kann, denn die Parlamente gibt es noch, die Entscheidungen werden aber häufig nicht mehr in demokratischem Sinne getroffen.

[Update 18.3.2011] Offenbar haben nun doch einige Staaten erkannt, dass ein Eingreifen notwendig ist, und eine Resolution im UN- Sicherheitsrat durchgebracht. [/Update]