Feb 202017
 
Marx Halle vor der Adaptierung

Marx Halle

Am Rande des dritten Bezirks liegt – im Herzen des Stadtentwicklungsgebietes “Neu Marx” jene Halle, die früher einmal liebevoll “Rinderhalle” genannt wurde und heute “Marx Halle” genannt wurde. Das wunderschöne denkmalgeschützte Gebäude, dass zu Zeiten des dort ansässigen Viehmarktes noch Rinder vor der Schlachtung beherbergte und lange leer stand wird derzeit sehr erfolgreiche für kulturelle und auch andere Veranstaltungen  genutzt.

Leider soll mit dieser als “Zwischennutzung” titulieren Verwendung der Halle nach dem Willen einiger PolitikerInnen und StadtplanerInnen bald Schluss sein.

Eine Zitat “[…]urbane Mischung  aus Kultur- und Kreativwirtschaft, Dienstleistungen, Gewerbe, Gastronomie und vieles mehr […] soll
geboten werden ” Weiters soll “Ein Fokus […] bei Start-ups liegen.” (Siehe hier)

Als Anrainer des Geländes “Neu Marx” und der Marx Halle bin ich aber vom Angebot an Kunst, Kultur und Unterhaltung, das die  derzeitige “Zwischennutzung” mit sich bringt mehr als begeistert. Das beginnt beim “Globe Wien”, geht über diverse Konzerte bis hin zu großartigen Veranstaltungen wie die “Wiener Fahrradschau” im letzten Jahr.

Seitens der Politik und den StadtplanerInnen wurde uns, als wir vor einigen Jahre im Erstbezug hier einzogen, viel versprochen –  ein
belebtes Viertel der Kreativwirtschaft mit Lokalen und Einkaufsmöglichkeiten. sollte es werden. Bis zur kulturellen Nutzung der Marx Halle war davon aber so gut wie nichts zu bemerken – zumindest am Wochenende glich das Gelände einer Geisterstadt; sämtliche Lokale waren geschlossen, und sogar die eröffnete Bank-Filiale schloss samt Bankomat rasch wieder für immer ihre Pforten. Die aktuelle Nutzung der “Marx Halle” als Ort für Kunst, Kultur und Unterhaltung  dagegen brachte endlich mehr Leben ins Grätzl.

Es wäre eine Schande, wenn man diese Nutzung jetzt wieder beenden und aus der Marx- Halle eine Art überdachte Schrebergartensiedlung machen würde – sie soll für große Events erhalten bleiben! Hoffnungsvoll stimmt mich die Tatsache, dass ich mit meiner Kritik offenbar nicht alleine bin. Für die derzeit so beliebten Startups, die unter anderem als Begründung für eine neue Nutzung der Halle herhalten sollen, gibt es ohnedies bereits auch andere Projekte, wie den Medien zu entnehmen ist.

Für eine Marx Halle als Ort von Kultur, Kunst und Unterhaltung!

Nov 302015
 

Wir treffen uns seit einem Monat regelmäßig mit einer Flüchtlingsfamilie. Begonnen hat alles mit unserem schlechten Gewissen. Dem schlechten Gewissen, dass wir ein gutes Leben führen, uns Dinge kaufen und leisten, die wir eigentlich gar nicht brauchen, während andere – auch in Österreich – ums tägliche Überleben kämpfen und Menschen mit nicht viel mehr als ihren Kleidern am Leib vor Kriegen aus ihren Heimatländern flüchten müssen.

Dann begann im September 2015 die Flüchtlingswelle: Wir sahen die schrecklichen Bilder in Ungarn, die Menschen, die sich in ihrer Verzweifelung zu Fuß von Ungarn auf den Weg nach Österreich machten, die sofortige Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft an den Bahnhöfen in Österreich. Gleichzeitig waren wir gar nicht überrascht vom Versagen der österreichischen Innenpolitik geschweige denn von der Hetze und den primitiven Parolen aus den einschlägigen Reihen. Betroffen und nachdenklich gestimmt hat uns hingegen die skeptisch-ablehnende Haltung aus unserem eigenen Umfeld, wonach uns diese gesamte Flüchtlingssituation auf Dauer überfordern werde, diese Flüchtlinge mit einer gänzlich falschen Erwartungshaltung zu uns kämen oder schlichtweg nicht zu uns passen. Solche Antworten wollten wir freilich nicht akzeptieren.

Schließlich brachten uns diese vielen Diskussionen auf eine Idee. Wir schrieben eine der Hilfsorganisationen an, mit dem Vorschlag, dass wir gerne in Kontakt zu Flüchtlingen treten wollen. Wir würden diese Menschen in weiterer Folge alle ein bis zwei Wochen treffen, mit ihnen etwas unternehmen – spazieren gehen, ein Museum besuchen oder einfach Deutsch lernen. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt auch nicht, ob dies funktioniert, waren sogar skeptisch gegenüber solch „organisierten Bekanntschaften”.

Heute wissen wir: Es ist möglich. Wir haben die vierköpfige Familie aus dem arabischen Raum mittlerweile drei Mal getroffen. Bei einem einem ersten kurzen Treffen in Anwesenheit einer Mitarbeiterin der Flüchtlings-NGO tauschten wir Telefonnummern aus und verabredeten uns für das kommende Wochenende.

Der darauf folgende Sonntag erwies sich dann als äußerst schön, sehr lehrreich und interessant – und zwar sowohl für uns als auch für die Familie. Gemeinsam besuchten wir den Wiener Christkindlmarkt und ein bekanntes Wiener Kaffeehaus. Überraschend für uns kam dann die Essenseinladung der Familie in ihre Unterkunft. Wir genossen ein herrlich zubereitetes arabisches Essen.

Lehrreich war der Tag für uns, weil wir erkannten, dass sich ihre Art zu Leben so gut wie gar nicht von der unsrigen unterscheidet. Vielen Fragen der Familie, insbesondere zur komplizierten deutschen Grammatik, konnten wir beschähmenderweise auch nicht restlos beantworten. Dass die Uhren in Österreich im Hinblick auf die Dauer der Asylverfahren anders ticken, ist leider ein trauriges auch für uns unverständliches Faktum, was wir mit der Familie – die seit mehr als zwei Jahren auf eine Erledigung ihres Verfahrens wartet – ebenfalls erörterten.

Beim dritten Treffen haben sie uns in der Wohnung besucht, wir haben gemeinsam Deutsch und Arabisch gelernt, gekocht und gegessen. Für die Zukunft sind gemeinsame Museumsbesuche, gemeinsames Kochen und vieles mehr geplant. Es steht mit Sicherheit noch eine interessante und schöne Zeit vor uns. Wir gestehen aber durchaus zu, dass wir noch vor dem Kennenlernen die Treffen mit diesen Menschen als eine ehrenamtliche Aufgabe betrachteten. Allerdings änderte sich dieser Zugang schon nach dem ersten Kennenlernen: Denn für uns sind es mittlerweile kein Treffen mehr mit Flüchtlingen, sondern vielmehr Treffen mit Freunden (mittlerweile kommunizieren wir auch fast täglich über Whatsapp und tauschen uns aus), die für alle bereichernd sind und eine Freude machen.

Die wichtigste Erkenntnis ist: genau SO kann ehrlich gemeinte Integration funktionieren. Nämlich: indem BEIDE Seiten offen und willens sind, einander kennen zu lernen.

Die Erfahrungen, die wir in den letzten Wochen sammeln durften, haben uns auf eine Idee gebracht: Wie wäre es, eine Onlineplattform zu schaffen, auf der sich interessierte AsylwerberInnen und interessierte ÖsterreicherInnen einfach und unkompliziert kennenlernen können? Wir stellen uns dabei etwas Ähnliches vor wie eine der zahlreichen Partnerbörsen, nur eben mit dem Ziel, Integration zu fördern.

Wir haben unter dem Arbeitstitel „hit it off“ (englisch für „sich gut verstehen“) ein erstes Konzeptpapier erarbeitet, dass wir hiermit zur Diskussion stellen.

Bianca Fink und Stefan Mackovik.