Aug 282015
 

#Einundsiebzig – so viele tote Asylwerber wurden am Donnerstag, dem 27. August in einem abgestellten LKW im Burgenland, nahe der ungarischen Grenze gefunden. Jetzt ist das Asyldrama, dass für die meisten ÖsterreicherInnen sich trotz allem irgendwo “da draußen, weit weg am Mittelmeer” abspielte endgültig auch bei uns angekommen. Für unsere Innenministerin sind die Schuldigen schnell gefunden : “die Schlepper”. Für die jetzt gefundenen einundsiebzig toten Flüchtlinge stimmt das zunächst natürlich einmal.

Johanna Mikl-Leitner gibt sich angesichts von  Rücktrittaufforderungen an sie  “betroffen” und beschwert sich darüber, dass man wieder Schuld bei der Innenministerin suchen würde. Dabei ist die Suche nach dieser Schuldfrage längst abgeschlossen. Denn natürlich trägt sie Mitschuld bzw. –verantwortung für diese – und die unzähligen weiteren Flüchtlingstragödien in und um Europa. Zusammen mit all den anderen InnenministerInnen, Regierungen und Parlamenten, die die heute geltenden Asylgesetze,  -bestimmungen und -verordnungen innerhalb der Europäischen Union ausverhandelt und beschlossen haben.

In Deutschland verwendeten man statt dem bei uns uns gebräuchlichen Begriff “Schlepper” das Wort “Schleuser” für Menschen, die Flüchtlinge “illegal” über eine Grenze bringen. Dieses Wort verdeutlicht für mich mehr, dass die Flüchtlinge ja nicht unfreiwillig in europäische Staaten “verschleppt” werden, sondern freiwillig – und oftmals ohne zu Wissen welche Gefahren auf der Reise auf sie lauern -Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, die Ihnen ein sicheres Leben in einem anderen Land ermöglichen sollen, sie lassen sich also sozusagen “einschleusen”

Wenn jetzt – wieder einmal  – ein noch härterer Kampf gegen die “Schlepper” von Seiten der Regierungen angekündigt wird, dann übersehen sie, oder wollen die Tatsache einfach ignorieren, dass für diese oftmals gefährliche oder tödliche Dienstleistung einfach ein Bedarf existiert, den die “Schlepper” bedienen. Das heißt nicht, dass viele “Schlepper” nicht skrupellose Verbrecher sind, aber der Punkt ist: sie haben diesen Bedarf nicht geschaffen, sie schlagen höchsten Kapital daraus.

Den Schwarzmarkt für Schlepperei haben nämlich die zuvor genannten PolitikerInnen zu verantworten, und zwar durch jene Gesetze, Verordnungen usw. – allen voran durch Dublin III – die eine legale Einreise nach Europa bis heute sehr schwer bis unmöglich machen. Wer nicht auf “legalem” Weg aus einem Land, in dem Krieg und Gewalt herrscht, flüchten kann, wird es eben früher oder später auf “illegalem” Weg versuchen.

Das Einsehen der Regierungen, Innenminister und Parlamente in Europa, dass die jetzige Situation untragbar ist, dass neue Bestimmungen geschaffen werden müssen, fehlt leider nach wie vor.

Es muss einerseits für die Menschen legale Möglichkeiten zur Flucht geben, es müssen einheitliche, menschenrechtlich einwandfreie und menschenwürdige Standards für die Unterbringung von Asylwerbern für ganz Europa geben. Andererseits müssen sowohl die Kosten, als auch die Menschen fair über Europa verteilt werden. Für die EU wird die Flüchtlingsfrage zur Nagelprobe. Gelingt hier keine faire Einigung, dürfte die Frage, ob sie nur eine Wirtschaftsgemeinschaft oder doch auch eine politische ist, entgültig geklärt sein. Bisher zeigt sich jedenfalls, dass die Menschenrechte, die in Sonntagsreden so gerne hochgehalten werden, das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben wurden.

Um zum Schluss nochmals zu Mikl-Leitner und der Rücktrittfrage zurück zu kommen: diese politische Konsequenz hätte sie bereits vor der Tragödie im Burgenland längst ziehen müssen, denn das vollständige Versagen (oder das politische Spiel?) in der Frage der Asylwerberunterbringung, das in ihren Kompetenzbereich fällt, sollten eigentlich schon Anlass genug gegeben haben.

 

Feb 102011
 

Es gibt einige Themen in Österreich, bei denen man offensichtlich die Öffentlichkeit des Landes behandelt muss, als wäre sie ein schwer traumatisierter Patient in psychologischer Behandlung. Eines dieser Themen ist die “Neutralität”. Gut Erinnerung ist da noch die Empörung, die der ehemalige Bundeskanzler Schüssel mit seinem Vergleich von Mozartkugel und der Neutralität auslöste. Aktuell hat sich jetzt der SPÖ-  EU-Abgeordnete Swoboda mit einer unbedachten Aussage zur NATO in die Nesseln gesetzt. Sinngemäß meinte er da, dass er sich einen NATO- Beitritt Österreichs in einigen Jahren vorstellen könne. Das rief natürlich selbtsverständlich die Neutralitätshüter anderer Parteien auf den Plan: so sieht FP- Strache die aktuelle Wehrdienstdebatte unter dem Gesichtspunkt, dass Heer “NATO- fit” zu machen, und Peter Pilz von den Grünen will, dass sich “Die Grünen […] für eine moderne europäische Interpretation der Neutralität einsetzen“.

Dabei gehen aus meiner Sicht beide von einer falschen Annahme aus, nämlich: die Neutralität würde noch existieren. Rein rechtlich und formal stimmt das, aber realpolitisch stimmt das schon lange nicht mehr. Wenn man es ehrlich zugibt, dann ist dieses Land spätestens mit dem EU- Betritt nicht mehr neutral. Und das halte ich keineswegs für eine schlimme Sache, denn die Neutralität war zu Beginn der zweiten Republik einfach Bedingung für deren Unabhängigkeit, und hatte wohl auch im Zeitalter des Kalten Krieges, inmitten zweier Gesellschaftssysteme seine Berechtigung.

Heute sind wir inmitten “befreundeter Staaten”, außerdem gibt es spätestens seit dem Abgang von Kreisky keine aktive Neutralitätspolitik mehr, und anderes als die Schweiz sind wir – was ich gut finde – auch nicht bereit – Unmengen an Geld in die Rüstung zu stecken, was eigentlich Vorraussetzung für ein “wirklich” neutrales Land sein müsste. Stattdessen baut die österreichische Poltik wohl auf “Hilfe von außen” im Krisenfall. So gesehen hatte rückblickend Schüssel irgendwie dorch recht: die Neutralität ist Teil der österreichischen Folklore geworden, wie Maibäume und Almauftriebe oder Silvester mit der Pummerin. Mit Leben gefüllt ist die Hülle “Neutralität” schon lange nicht mehr.

Zeit, seine Rolle in der Welt neu zu definieren – im Gegensatz zu Swoboda bin ich aber nicht der Meinung, dass ein NATO- Beitritt eine Option ist, denn das Bündnis hat schon seit Jahren genauso seine Daseinsberechtigung verloren wie die österreichische Neutralität und sollte besser heute als morgen abgeschafft werden.